Lebensbericht über Dirk-Hermann Dirks

von Raphael Schuster
0 Kommentar
Dirk-Hermann an seinem 80. Geburtstag

Der Autor des Hebräerbriefes gibt seinen Lesern zum Schluss einige Ermahnungen und Ermutigungen mit auf den Weg. Eine davon trifft besonders auf die Jüngeren zu:

Erinnert euch immer wieder an die, die einst die Verantwortung für eure Gemeinde trugen und euch das Wort Gottes verkündeten. Haltet euch vor Augen, wie sie Gott bis ans Ende ihres Lebens vertrauten, und nehmt euch ihren Glauben zum Vorbild. Denn Jesus Christus ist immer derselbe – gestern, heute und in alle Ewigkeit.

Hebr 13,7-8

Wenn wir Gottes Wort und uns selbst kennen, wissen wir, dass wir alles lieber tun, als Gott zu vertrauen. Tausendmal fallen wir in Zweifel, Unruhe, Ungeduld und Ärger. Wir gehen selbstgewählte und -gerechte Wege und meinen immer wieder mit unseren eigenen, erbärmlichen Bemühungen zu erreichen, was Gott uns schenken will. Ein Theologieprofessor – Johannes Wichelhaus – hat darum seinen Studenten geschrieben, dass sie in zuversichtlicher Erwartung auf den Herrn sehen und auf seine Verheißungen vertrauen sollen, „dass Sie ruhig bleiben trotz aller Unruhe, und getrost in aller Verdrießlichkeit [unangenehme, schwierige, ärgerliche Situation]. Denn das weiß ich wohl, dass wir nicht gerne stille halten und dass wir lieber haben und sehen als nicht sehen und glauben.“

Die Psalmen bestätigen diese Erfahrungen. Auch die Psalmbeter haben ein ganzes Leben gebraucht und mussten durch große Nöte hindurchgehen, ehe sie gelernt haben auf Gott zu vertrauen. Wer das durch Gottes Gnade erkannt hat, über den schreibt David:

Glücklich zu preisen ist, wer sein Vertrauen auf den Herrn setzt und sich nicht an die Stolzen hält, die sich zu Götzen abwenden. Denn zahlreich sind die Wunder, die du getan hast und deine Pläne, die du mit uns hast, Herr, mein Gott. Nichts ist dir gleich! Wollte ich von ihnen erzählen, könnte ich es gar nicht – sie sind zu zahlreich.

Ps 40,5-6; vgl. 2,12; 34,9; 84,13

Wir dürfen darum von älteren Glaubensgeschwistern lernen und aus ihren Erfahrungen verstehen, dass es sich lohnt Jesus Christus – der immer noch derselbe ist – zu glauben. Aus diesem Grund möchte ich aus dem Leben eines älteren Glaubensbruders berichten, dem ich letztes Jahr im September während eines Gemeindepraktikums zum ersten Mal begegnet bin.

Obwohl ich Dirk-Hermann Dirks (das Bild zeigt ihn bei seinem 80. Geburtstag) damals nur kurz traf, konnte ich ihn als einen tiefgläubigen Mann kennenlernen. Wir sprachen über Schwierigkeiten und Herausforderungen, vor denen schrifttreue evangelische Gemeinden und Organisationen in Deutschland stehen. Als wir am Schluss zusammen gebetet haben, strahlten seine Worte feste Zuversicht in unseren großartigen Gott aus.

Bruder Dirks ist 1933 in Emden (Ostfriesland) geboren. Aufgrund des Bombenkrieges mussten seine Eltern aufs Dorf umziehen. Sie waren es auch, die ihm den christlichen Glauben schon in jungen Jahren nahe brachten. Außerdem waren die Gottesdienste in der evangelischen Landeskirche vor Ort lebendig. In ihrem Mittelpunkt stand eine schriftgemäße, häufig einstündige Predigt. Dort und in den von der „Landeskirchlichen Schriftenmission“ im Winter auf den Dörfern veranstalteten Evangelisationswochen hörte Bruder Dirks das Evangelium und glaubte es. Überhaupt herrschte in den Jahren nach dem verlorenen Krieg ein großer Hunger nach dem Wort Gottes. Evangelistische Veranstaltungen waren gut besucht und zogen selbst auf Dörfern häufig mehr als 100 Menschen an.

Nach dem Besuch der Handelsschule war es für Bruder Dirks sehr schwer eine Lehrstelle zu finden. Während Büroaushilfsarbeiten und durch die Arbeit eines Jugenddiakons nahm für ihn die Gewissheit seiner Berufung zum vollzeitigen Dienst im Reich Gottes zu. Nach einem einjährigen Praktikum in der Westfälischen Diakonenanstalt in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel wusste er sich von Gott zum diakonischen Dienst berufen. Damals wurde in der Diakonenausbildung Wert darauf  gelegt, dass die jungen Leute gläubig waren, die in dieses Amt traten. Man sprach von den „Vier b“, die für diesen Dienst unerlässlich sind: bekehrt, bewährt, begabt und berufen. Ansonsten war die Ausbildung nicht so verschult wie heute, sodass auch gute Handwerker und ehemalige Soldaten diesen Weg gehen konnten. Zwar kamen aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit im Land viele „Trittbrettfahrer“, die allerdings aufgrund der beträchtlichen Anforderungen auch schnell wieder gingen.

Die Anforderungen bestanden bei Bruder Dirks hauptsächlich im körperlich anstrengenden Dienst an Alten und Kranken sowie der Umgang mit epileptischen und geistesschwachen Menschen. Das beinhaltete unter anderem sie zu füttern, zu waschen und zu pflegen, aber auch Räume zu putzen und zum Beispiel Toiletten zu säubern – schwere und wichtige Arbeiten. Solche ganz praktischen Aufgaben, die auf den ersten Blick nicht sonderlich geistlich oder theologisch anspruchsvoll sind, haben nach Ansicht von Bruder Dirks gerade Pastoren und Hirten nötig. Sie helfen uns, demütig und nüchtern zu bleiben (2. Tim 4,5; Tit 2,2; 1. Pt 1,13; 4,7; 5,8) und weisen uns darauf hin, dass die Bücher, das Studium und die Theologie für den Menschen da sein müssen, nicht umgekehrt. Der fachliche Unterricht in Anatomie und Psychiatrie schloss für Bruder Dirks 1955 mit dem damals sogenannten Irrenpflegeexamen ab.

Nüchternheit ist überhaupt ein entscheidendes, biblisches Kriterium, das Bruder Dirks jungen Menschen ans Herz legen möchte. Das Bild, das die Medien von typischen Jugendlichen zeichnen, beschreibt sie unter anderem oft als unzuverlässige und unbeständige Menschen. Sie sind von ihren Gefühlen und Lüsten getrieben; sich zusammenreißen, standhaft bleiben und Bedürfnissen nicht nachgeben, ist seltener ihr Ding. Viele Hollywoodfilme glorifizieren solche Verhaltensweisen auch noch. So eine Haltung entspricht nicht dem, was Gott in seinem Wort über den Menschen offenbart hat und muss an der Wirklichkeit scheitern.

Es war gerade der Umgang mit kranken, notleidenden und alten Menschen, der Bruder Dirks geholfen hat, die inneren Krankheiten und die geistliche Not der Menschen zu erkennen. Das Wort Gottes – besonders der Psalter – lehrt uns, einen nüchternen Blick auf die Menschen außerhalb und innerhalb der Kirche zu behalten. Das Wirken des Heiligen Geistes hier und jetzt besteht nicht darin, dass er uns bestätigt oder zu großen Taten befähigt. Der Geist Gottes wirkt in uns wie ein Feuer (vgl. Jer 23,29; Mt 3,11), das den alten Menschen verbrennt. Wir bleiben Mensch, d.h. Fleisch, so lange wir leben. Auch die Christen haben noch den alten Adam, der im tagtäglichen Kampf getötet werden muss. Auch ein Christ muss tief unten durch, z.B. durch Krankheiten, Depressionen, Sünden und Auseinandersetzungen, weil der Böse auch heute noch auf dem Plan ist. Darin besteht der Kampf von dem auch Paulus in 1. Timotheus 6,12 sagt: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“. Er beinhaltet vor allem Buße, die jeden Tag geschehen muss, ansonsten werden wir sicher, lau und träge oder beginnen in einer fleischlichen Rechtgläubigkeit unnötigen Streit mit anderen. Diese realistische Feststellung ist eine wichtige Grundlage für unser alltägliches Leben genauso wie für den Dienst in der Gemeinde, sei es in der Kinderstunde, in Gesprächen im Hauskreis oder in der Predigt.

Ein in seinen Gefühlen verfangener, idealistischer Euphorismus ist kein haltbares Fundament gegen all die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die uns im engen Kontakt mit Mitsündern begegnen werden. Hier hat Bruder Dirks auch auf den engen Zusammenhang von Nüchternheit und wahrer Freude hingewiesen. Wenn eine Gemeinde sich zum Gottesdienst versammelt, geschieht das, um Gott anzubeten. Dort ist kein Raum für den Menschen im Mittelpunkt, kein Platz um neben dem Wort Gottes irgendwelche menschlichen Mittel anzuwenden oder anderen „Zirkus“ zu veranstalten. Wer nicht beim klaren Wort bleibt – so lesen wir es in der ganzen Bibel – geht verloren, denn Christus ist allein im Wort (Eph 2,20; 1. Kor 1,18ff). Wo die ganze Gemeinde – Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Starke und Schwache – Christus durch sein Wort in ihrem Zentrum weiß und sich unter seine gnädige Hand demütigt (Ps 34,18), da entsteht eine „fröhliche Vorfreude“ auf den Himmel.

1960 wurde Bruder Dirks dann eingesegnet und arbeitete in den Nieder-Ramstädter Heimen der Inneren Mission in der Nähe von Darmstadt, wo er bis zu seiner Pensionierung 1996 tätig war. Dort hat er 1961 auch seine Frau kennengelernt, mit der er bis heute verheiratet ist. Neben der praktischen diakonischen Arbeit bestand die Ausbildung zum Diakon außerdem in einem theologisch und pädagogisch reich gefächerten theoretischen Unterricht. Bruder Dirks absolvierte das teilweise in Eckartsheim bei Detmold. Er hatte dort das Privileg, dass seine Lehrer gläubige Männer waren, die die Autorität der Schrift anerkannten und die historische Schriftkritik, dieses „Dogma der evangelischen Kirche in Deutschland“ wie es einer seiner Dozenten nannte, verwarfen. Bruder Dirks erinnert sich mit großer Freude an diese Ausbildung, während der er im Brüderhaus mit anderen gläubigen, jungen Männern wohnte. Es gab damals noch Formen des Umgangs miteinander, die uns heute fremd erscheinen, aber im Grunde einen Charakter stärken und Verantwortung lehren können. Zum Beispiel mussten die Studenten unterschreiben, sich während des Studienjahres nicht nach Frauen umzusehen. Bruder Dirks hat sich daran gehalten und auf diese Weise Gottvertrauen gelernt. Ein Jahr nach dem Studium lernte er dann seine Frau kennen.

Auf die Frage, welche Lektüre er jungen Menschen empfehlen würde, nannte er John MacArthurs Durch die enge Pforte, das beim Betanienverlag erschienen ist. Es wird dort mit großer Klarheit darauf hingewiesen, wie auch in evangelikalen Gemeinden das Evangelium an den Rand gedrängt wird. Das führt dazu, dass vergessen oder zumindest verdunkelt wird, worin eigentlich die gute Botschaft besteht und wie sie unser Leben und unsere Gemeinden prägen sollte. Ein ähnliches Thema hat Francis Schaeffers ebenfalls empfohlenes Buch Die große Anpassung, erhältlich beim CLV Verlag.

Es war Bruder Dirks sehr wichtig darauf hinzuweisen, dass unsere Gemeinschaft mit Gott nicht unvermittelt ist. Das heißt wir haben hier auf Erden keinen direkten Kontakt zu Gott. Paulus schreibt, dass wir im Glauben, nicht im Schauen leben (2. Kor 5,7) und Petrus weist auf unsere Liebe, unseren Glauben und unsere Freude an Gott hin, obwohl wir ihn nicht sehen (1. Pt 1,8-9). Unsere Gemeinschaft mit Gott besteht durch sein Wort, die Heilige Schrift, in der er sich uns zu erkennen gibt und uns auffordert ihm zu vertrauen und zu ihm zu beten. Indem wir in der Bibel Jesus Christus als das Ebenbild des Wesens Gottes kennenlernen (Hebr 1,3) und der Heilige Geist uns Glauben an den dreieinigen Gott schenkt, haben wir Gemeinschaft mit ihm. Bruder Dirks zitierte den Beginn der vierten Strophe von Luthers Ein feste Burg ist unser Gott, wo es heißt: „Das Wort sie sollen lassen stahn“. Die Reformatoren sprachen davon, dass das Wort das Gefährt ist, auf dem der Geist zu uns kommt (vehiculum pneumaticum). Mit dieser Erkenntnis ist die Aufforderung verbunden, nicht über das Wort hinauszugehen und andererseits die Entlastung, dass wir nicht alles Mögliche hervorbringen müssen, damit Menschen das Evangelium glauben. Wer am Wort bleibt gewinnt – so Luther – einen einfältigen Glauben, der in Bezug auf das Böse kindlich, aber im Verständnis erwachsen ist (1. Kor 14,20).

Schlussendlich hat Bruder Dirks auf den großen Wert der Heilsgewissheit hingewiesen. Die Bibel gibt uns keinen Freifahrtschein für ein verantwortungsloses Leben, sondern stellt uns in den Raum der befreienden Gnade Gottes, indem wir schaffen sollen „mit Furcht und Zittern“ (Phil 2,12f). Wir schämen uns über unsere Wege, aber Gott ist gütig (Hes 36,31f). Nicht unseretwegen erbarmt er sich über uns, sondern um seines Sohnes Jesus Christus und seiner Ehre willen.

Ich hoffe dieses Lebensbild von Bruder Dirks dient auch anderen als Vorbild und Ermutigung im Glauben an unseren treuen Gott. Besonders würde ich mich freuen, wenn junge Menschen dadurch noch mehr erkennen, wie wichtig und schön es ist, in der Gemeinde enge Gemeinschaft über alle Generationsgrenzen hinweg zu pflegen, denn wir alle haben ein und denselben Herrn, „der sich reich erweist an allen, die ihn anrufen“ (Röm 10,12).

Auch interessant

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Cookies. Wenn Du die Seite weiter benutzt, gehen wir von Deinem Einverständnis aus. OK