Was ist wahre Männlichkeit? Von Boas lernen (2)

von Hanniel Strebel
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Die Lösung: Wir brauchen einen Boas.

Wir verstehen das Handeln von Boas erst dann richtig, wenn wir uns der gesellschaftlichen und geistlichen Lage im damaligen Israel bewusst geworden sind. Das Buch Ruth zählt zu den fünf Festrollen (Ruth, Hohelied, Prediger, Klagelieder, Ester) und wird bei den Juden jährlich zum Wochenfest, dem heutigen Pfingstfest, vorgelesen. Die 95 Verse starke Novelle enthält einige zentrale Themen: Gottes Vorsehung, Leid und Verbitterung, die Entwicklung der Liebe zwischen Mann und Frau, die Integration von Ausländern und das Beispiel von wahrer Männlichkeit und Weiblichkeit.

Bevor wir uns der Charakterisierung der Männlichkeit am Beispiel von Boas zuwenden, müssen wir uns einer zweiten wichtigen Einordnung des Buches bewusst werden. So wie der Anfang des Buches den zentralen Hinweis auf die Rahmung bietet, so gewichtig ist das letzte Wort der Erzählung. Hast du es gesehen? Es lautet „David“ (siehe Richter 4,17-21)! Altes und Neues Testament bilden eine wunderbare Einheit mit einem Konzentrationspunkt: Geburt, Leben, Tod und Auferstehung des wahren Davids. Geh mit mir im Schnelldurchgang durch das Alte Testament:

Nach dem Sündenfall wird angekündigt, dass jemand kommen wird, welcher der Schlange den Kopf zertreten würde (1Mose 3,15; vgl. Hebr 2,14). Durch Abraham würden alle Völker der Erde gesegnet werden (1Mose 12,3). Mit dem „Nachkommen“ ist Christus gemeint (Gal 3,16). Als das Volk in der Knechtschaft Ägyptens seufzt, erscheint ihnen der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er ist ein Gott der Lebendigen (2Mose 6,3; Mt 22,32). Das Volk wird durch das Passahlamm aus der Knechtschaft Ägyptens erlöst. Das wahre Passahlamm ist Christus (2Mose 12; 1Kor 5,7). Mose führt das Volk durch die Wüste. Ein Prophet ihm gleich würde später auftrten: Christus (5Mose 18,15; Apg 3,22). Die Richter retteten das Volk, jedoch nur temporär. Es fiel immer wieder in die Sünde zurück. Erst der Messias wird eine dauernde Erlösung schaffen (vgl. Apg 13,20).

Und so geht es weiter: Im Buch Ruth wird Boas als Löser präsentiert (der Ausdruck „Löser“ taucht neunmal auf). Der wahre Löser würde Christus sein. Boas‘ Urenkel ist David, der König nach dem Herzen Gottes (1Sam 13,14). Gott kündigt ihm an, dass er ihm ein dauerndes Haus bauen würde (2Sam 7,11-12). Jesus erbte den Thron seines Vaters David (Lk 1,32).

Wir verstehen das Buch Ruth nicht, wenn wir es nicht als Stück der biblischen Heilsgeschichte sehen. Warum betone ich das? Weil wir das Alte Testament auf Christus hin lesen müssen! Das Alte Testament ist kein Handbuch zur Charakterentwicklung und Lebensoptimierung. Es zeigt in erster Linie auf, dass wir ohne Christus verloren sind und wir dringend einen Erlöser brauchen. Erst müssen wir unser eigenes Elend eingestehen. Dann dürfen wir erkennen, woher die wahre Lösung für unser Elend herkommt: Von Christus, und nur von Christus! Der gelebte Leitsatz vieler Menschen (auch von Christen) scheint so zu lauten:

  1. Variante: Tue, dann wird für dich getan.
  2. Variante: Du musst nichts mehr tun, denn es wurde für dich getan.

Der Kern der biblischen Botschaft lautet jedoch: Tue, weil für dich getan worden ist. Die Grundlage unserer Beziehung zu Gott ist die Erlösung durch Christus. Der erlöste Mensch ist in der Kraft des Heiligen Geistes in der Lage, Gottes Gebote nachzustreben, auch wenn er immer wieder strauchelt. Er ist nicht nur befähigt dazu, sondern er trägt das tiefe Verlangen in sich, in Übereinstimmung mit der göttlichen Ordnung zu handeln (siehe Römer 7,14-25).

Die Grundstruktur des Christseins kann also zusammengefasst werden in: Indikativ, dann Imperativ! Erst dürfen wir hören, dass wir in Christus frei gesprochen sind. Anschließend sind wir aufgefordert, danach zu leben. Anders formuliert: Du bist gerechtfertigt (Indikativ)! Darum gilt: Sei gerecht (Imperativ)! Du bist in Christus freigesprochen. Sorge dann dafür, dass du wie ein Befreiter lebst.

Wir Männer müssen erst entdecken, dass wir im Elend sind! Aus dieser Richtung geht uns Männern ein neues Licht auf (vgl. Lk 1,79). Eine (wahre) Geschichte verdeutlicht dies.[1] Ein Berufsboxer wurde von einem Hund gebissen, ebenso Frau und Kind. Er brachte seine beiden Lieben in die Notaufnahme des Krankenhauses. Er selbst wähnte sich als zu kräftig, um der kleinen Bisswunde im Bein Beachtung zu schenken und sich behandeln zu lassen. Tage später erlag er den Folgen der Tollwut.

Das Leben in Dankbarkeit: Ein richtiger Mann.

Die Bibel zeigt mit unvergleichlicher Präzision auf, woher unser Elend rührt. Zur Zeit der Richter tat jeder, was in seinen Augen richtig war. Sämtliche Gebote waren gebrochen. Weiter führt uns die Bibel vor Augen, dass wir einen Erlöser brauchen. Aus eigener Kraft ist keine echte und bleibende Veränderung möglich. Wer diese Veränderung jedoch erfahren hat, den erfasst durch den Heiligen Geist Freude und das Streben, Gottes Geboten nachzuleben. Am Beispiel von Boas sehen wir, was Männlichkeit aus Gottes Sicht beinhaltet. Wir erfahren dies auf drei Schauplätzen:

  • Auf der Arbeit (Boas kommt aufs Feld, Ruth 2)
  • Privat (Boas allein auf der Tenne, Ruth 3)
  • In der Öffentlichkeit (Boas im Tor der Stadt, Ruth 4)

Boas auf der Arbeit

Boas war ein reicher Gutsherr. Wir erleben seinen Auftritt auf dem Feld (lies Ruth 2,4-9). Schon bei seinem Grußwort wird deutlich, dass Jahwe einen bedeutsamen Platz in seinem Alltag einnimmt. Er grüßt seine Mitarbeiter mit einem Segen, den sie erwidern. Dazu fällt auf: Boas ist ein anwesender Vorgesetzter. Er hält sich dort auf, wo seine Knechte sind. Weiter verfügt er über eine Eigenschaft, die manchen Männern abgeht: Er stellt Fragen. Wie gut würde es uns Männern anstehen, mehr Fragen zu stellen! Damit verbunden ist seine Bereitschaft, genau zuzuhören. Wer fragt, kann viel erfahren. Seine Knechte erzählen ihm von Ruth. Er sorgt für Pause und Verpflegung und erteilt seinen Knechten Anweisung, die junge Ausländerin zu schützen.

Boas erweist sich als aufmerksamer Beschützer seiner Angestellten und der Schwächsten in seinem Einflussbereich. Was für ein Gegensatz zum selbstbezogenen Verhalten zur Zeit der Richter – und zum Gebaren mancher Männer heute! Viele ziehen sich frustriert in ihre Hobbys zurück und haben keinen Blick für den Nächsten mehr.

Boas privat

Die zweite Begegnung mit Boas als Mann erhalten wir nachts auf der Tenne. Er hat einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich und gut gegessen und getrunken. Was will Mann dann noch? Er möchte vor allem nicht mehr gestört werden und schlafen. Um Mitternacht schreckt er auf – und bemerkt, dass eine Frau zu seinen Füßen liegt (lies Ruth 3,8-15). Auf dem Hintergrund des Richterbuches können wir davon ausgehen, dass ein anderer Mann Ruth schon auf dem Feld dem Mutwillen der Knechte überlassen hätte. Jetzt legt sich nachts eine junge Frau zu seinen Füßen. Es wäre ein Leichtes gewesen, sie zur Befriedigung seiner sexuellen Lüste zu missbrauchen – so wie es die Bewohner Gibeas getan hatten (Richter 19). Doch Boas erweist sich als richtiger Mann:

Er hört sich zuerst die Bitte Ruths an. In seiner Antwort an sie fällt auf, dass er ihre Charakterstärke anerkennt und rühmt. Er gibt jedoch kein voreiliges Versprechen ab. Wie oft höre ich Männer mit großer Posaune Ankündigungen machen, denen dann aber keine Taten folgen! Boas sorgt sich um die Integrität Ruths und lässt sie im Morgengrauen wieder gehen. Sexuell hält er sich wie gesagt zurück. Erneut sorgt er auch für den täglichen Bedarf, indem er Ruth Getreide für sie und ihre Schwiegermutter mitgibt.

Boas zeigt sich als Versorger. Er hat nicht die eigenen Bedürfnisse, sondern die der anderen zuvorderst. Wer vor allem sich selbst gut versorgt, wird unzufrieden. Wer seine eigenen Bedürfnisse zum Maßstab erhebt, wird an sich selbst konfus!

Boas in der Öffentlichkeit

Die Schwiegermutter von Ruth, Naomi, ging davon aus, dass Boas den gefassten Auftrag zügig in die Tat umsetzen würde (Ruth 3,16-17). Das war keine Fehleinschätzung. Boas machte sich auf und setzte den Vorsatz in die Tat um. Er suchte den Platz vor dem Tor auf (lies Ruth 4). Dort wurden Rechtssachen besprochen und Verträge geschlossen. In großer Gelassenheit fordert Boas einen noch näheren Löser auf, sein Recht wahrzunehmen. Dieser lehnt ab, als er erfährt, dass es nicht nur um zusätzliches Land, sondern auch um die Schwagerpflicht ging: Eine Frau zu nehmen und Nachkommen zu zeugen. (Das Gesetz schrieb diese sogenannte Leviratsehe vor.)

Wir erleben Boas, der die Initiative ergreift. Er hat A gesagt, darum jetzt auch B. Er tut dies im Vertrauen, dass Gott seinen Weg lenken wird. Er besteht darauf, die Sache recht vor Gott und Menschen abzuwickeln. Was für eine Wirkung entfaltet ein Mann, der auch in der Öffentlichkeit für Recht sorgt. Solche Männer braucht unser Land!

Boas zeigt sich als Bürge und Sponsor. Ich erlebe viele Männer dann als passiv, wenn es um ihre Familie, ihre Gemeinde oder eine öffentliche Sache geht. Sie kommen erst dann in Bewegung, wenn es um ihre privaten Hobbys geht. Schade!

Fazit

Boas war ein Gott-Liebender. Wir schmeißen gedankenlos mit dem Begriff „Liebe“ um uns. Gott zu lieben bedeutet sein Gesetz zu halten. Niemand hat dies so deutlich gemacht wie der Jünger der Liebe. „Wer mich liebt, hält meine Gebote.“ (dreimal in Joh 14,21-24)

Boas hielt sich an Gottes Gebote: Die Leviratsehe, das Zeugenprinzip, die Versorgung der Armen, der rücksichtsvolle Umgang mit den Arbeitern. Ein richtiger Mann hält sich an Gottes Gesetz, zum Segen für seine Familie und sein Volk. Männliches Heldentum erweist sich im Alltag. Charakter kommt dann zum Vorschein, wenn niemand zusieht. Die Liebe zu Gott zeigt sich in Treue gegenüber seinem Gesetz.


[1] Quelle: Die Gute Saat, 31. Juli 2015.

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