Leid? Was soll das, bitte schön?

von Jonathan De Oliveira
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Vor einigen Wochen bekam ich eine E-Mail von einer Bekannten, von der ich schon lange nichts mehr gehört hatte. Es war keine gute Nachricht. Es schien, als wäre sie kurz davor, den Glauben aufzugeben. Der Grund dafür war, dass ihre Lebensumstände nicht dem entsprachen, wie sie es gerne hätte bzw. wie sie es erwartet hatte. Frustrationen und unerfüllte Wünsche waren in ihren Augen Zeichen dafür, dass Gott es nicht gut mit ihr meint. Mir ist klar, dass viel mehr dahinter steckt. Aber ich glaube viele von uns können mit diesem Gefühl etwas anfangen. Wenn wir uns in Situationen finden, die uns bedrücken oder traurig machen oder die unser Leben erschweren, wie gehen wir damit um? Was sollen wir in diesen Momenten nicht vergessen?

Ich möchte mit euch an dieser Stelle die Geschichte von Josef betrachten. Josef war ein glücklicher junger Mann – das Lieblingskind seines Vaters, erfolgreich in allem, was er tat und, na ja, auch sehr attraktiv. Für ihn schien alles wunderbar zu sein. In seiner Jugendzeit schienen die Perspektiven unbegrenzt zu sein. Sein Vater würde ihn weiter ehren und vielleicht Josef sogar zum Haupt des Stammes erheben! Jedenfalls hätten die zwei Träume, in denen seine Überlegenheit über seine Familie vorangekündigt wurde (1. Mose 37), ihm Anlass geben können, solch hohe Gedanken von sich selbst und seiner Zukunft zu haben. Fakt ist: es ging Josef richtig gut. Seine Zukunft sah rosig und vielversprechend aus. Life was good!

Und dann in einem Moment ging alles kaputt. Ja, eine erbärmliche, unverschämte, unfassbare Folge von Ereignissen machte aus dem High Potential Kandidaten einen verlassenen Sklaven – von heute auf morgen! Stellt dir einen Moment lang vor, du wärst Josef: Du wirst von deiner vertrauten Umgebung plötzlich entrissen; du wirst von einer geschätzten und geehrten Position zu nichts erniedrigt; du wirst in ein fernes Land gebracht mit keiner Chance einer Rückkehr; du wirst deine Familie vielleicht nie mehr sehen; und um Salz in die Wunde zu streuen, du befindest dich in dieser Situation, weil deine Familie dich verraten und verkauft hat!

Der Tiefpunkt ist aber noch nicht erreicht. Josef versucht sein Bestes als Sklave in dem neuen Land. Er ist sehr schnell der „Arbeiter der Woche“, und dann „des Monats“ und dann „des Jahres“. Was soll’s! Er ist bald Nummer 2 nach seinem Chef! Alle sehen das Talent und die Gaben dieses Mannes. Allen voran sein Chef. Ihm ist klar, wie sehr Gott das Geschäft durch Josef segnete. Aber leider hat dieser einen Bewunderer zu viel. Die Frau des Chefs bemerkt auch seine Besonderheit und will ein Stück davon. Sie versucht ihn. Er will davon jedoch nichts wissen. Das wäre untreu gegenüber seinem Chef; und noch schlimmer, er würde sich gegen Gott versündigen. Blamiert schüttet die Frau ihren Zorn gegen Josef aus. Er wird falsch angeklagt und ins Gefängnis geworfen. Aber er hat versucht, das Richtige zu tun! Er hat Gottes Wille getan… Ja, richtig. Trotzdem bleibt er ein paar Jahre im Gefängnis. Tiefpunkt erreicht.

Nun: vielleicht hast du so einen Tiefpunkt wie Josef nicht erlebt. Und doch kennst du schmerzhafte Zeiten, die du nicht mehr durchblickst und verstehst auch nicht, was das soll. Das Leid und die Bedrängnisse scheinen dir sinnlos. Und noch schlimmer ist es, wenn du dich in diesem Sumpf befindest, obwohl du dich bemüht hast, nach Gottes Willen zu leben. Bist du gerade in so einer Situation? Dann nimm bitte die folgende Verheißung zu Herzen: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind“ (Römer 8,28).

Die meisten von uns haben diesen Vers sehr oft gehört und für den einen oder anderen mag es ein bisschen Klischee sein. Es ist deswegen aber nicht weniger wahr! Wenn wir in Römer 8 ein bisschen weiterlesen, erfahren wir, dass Gottes großer Plan für seine Kinder ist, dass sie dem Bild seines Sohnes gleich sein sollen – ja, Leid gehört dazu. Das Neue Testament macht sehr deutlich, dass Gottes Kinder Leid erwarten sollen. Es sollte uns nicht überraschen. Und doch ist das nur ein Teil des Prozesses. Das endgültige Ziel ist Herrlichkeit. Ja, genauso wie Christus durch sein Leid hindurch in die Herrlichkeit kam, so werden wir durch Leid hindurch in die Herrlichkeit kommen. Das ist Gottes Plan für dich, wenn du sein Kind bist. Das darfst du wissen. Nimm daraus Trost und Mut. Dein Leid ist nicht vergeblich. Denn auf unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, folgt eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit. Das gilt uns, die wir nicht auf das Sichtbare sehen, sondern auf das Unsichtbare (2. Kor 4,17-18).

Kommen wir zurück zu Josef. In seiner Knechtschaft und in jenem Gefängnis hat er bestimmt nicht alles verstanden. Aber ein Satz wird in diesem Bericht ständig wiederholt: „der Herr war mit ihm.“ Ob Josef sich in jener Zeit dessen bewusst war, weiß ich nicht genau. Wie die Geschichte ihr Ende nimmt, wissen viele. Kurz gesagt, Josef wird der zweitwichtigste Mann im Land seiner Gefangenschaft, gleich hinter dem Pharao! Und einige Jahre später kam er zu einer wunderbaren Erkenntnis. Als seine Brüder Angst davor haben, dass er sich an ihnen rächen könnte, beruhigt Josef sie mit folgenden Worten: „Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt? Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk“ (1. Mo 50,19-20).

Josef erkannte an dieser Stelle, dass sein Leid das Mittel war, das Gott gebrauchte, um seinen Plan – eine große Rettungstat für seine Familie – zu vollbringen. Genauso war Jesu‘ Leid das Mittel, das Gott gebrauchte, um seinen Plan – eine große Rettungstat für Seine Familie – zu vollbringen. Und dein Leid? Das ist das Mittel, das Gott gebraucht, um seinen Plan zu vollbringen: dich dem Bild seines Sohnes gleich zu machen – durch Leid hindurch und letztendlich in die Herrlichkeit hinein.

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Reformierter Spiegel #60 – Timotheus Magazin 23. Januar 2017 - 18:48

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